Making Out
All the political forces of our world are at our lips. Kathryn Bond Stockton

Glazed ceramics, hoodies, chicken wire, textile hardener, acrylic lacquer, wooden mounting system
2025

Exhibition view:
26/kunstakt, Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, Vienna




Der Kuss wird zu einem Moment des Überflusses – einer Bewegung hin zum Anderen, einem Übertreten der eigenen Grenze, einer Form von Ekstase. In Wolfgang Tillmans’ Fotografie The Cock (kiss) (2002), which depicts a kiss between two men, he created an iconic image for queer love with a self-evident tenderness and quietude. The image is neither staged nor militant, simply capturing a joyful moment of intimacy.

Diese Haltung des Unaufgeregten, des Uninszenierten interessiert mich in Making out. Es geht um die Spannung, die im Erinnern liegt – im Faltenwurf, wenn ein Arm von einer Schulter an einen Nacken gleitet, im Halten eines Gesichts, in einer Haarsträhne vor den Augen. Unabhängig von Identität oder Geschlecht geht es um das Reproduzieren von Erinnerungen, das Archivieren von Queerness und Intimität – um alltägliche Gesten, in denen man sich wiederfinden kann.

Keramik als Fossilien zu denken – als Objekte, die uns überdauern können – heißt, Monumente der Gegenwart statt Relikte der Vergangenheit zu schaffen. Jetzt die Zukunft vorzudenken erscheint angesichts der aktuellen Weltlage als notwendiger Akt. Zwei Hoodies mit keramischen Köpfen, verschmutzt und gezeichnet von ihrem Aufeinandertreffen, verweisen auf Körper, die etwas erlebt haben. Auf einem Pullover steht extra ordinary – vielleicht ironisch, vielleicht ehrlich. Mich beschäftigt weniger das Konzept von Authentizität als das Wagnis, überhaupt zu fühlen.
In der Keramikwerkstatt fragte mich jemand, ob ich verliebt sei – wegen dieser Arbeit. Vielleicht ja. Beim Arbeiten begleitet mich die Auseinandersetzung damit, wie sehr mein Inneres sich in der Arbeit widerspiegelt. Wenn ich Gesichter forme, entstehen keine Abbilder anderer, sondern Spuren meiner eigenen Handschrift. Ich erkenne mich in ihnen, auch wenn sie fiktiv sind. Autor*innenschaft bedeutet für mich, zu fühlen, was in der Arbeit spürbar ist. Und wer fühlt, was diese Gesichter fühlen, wenn nicht ich?

Die Keramikgesichter sind beide beim Rohbrand gebrochen. Kieferfraktur und Nasenbeinbruch zwangen mich zu der Entscheidung, die Keramiken aufzugeben oder weiterzumachen und durch diesen „Fehler“ durchzuarbeiten. Ich habe die Bruchstücke zusammengesetzt, ohne zu wissen, ob sie den zweiten Brand, bei dem die Keramik glasiert wird, überstehen. Keramik ist unberechenbar – vielleicht gerade deshalb so nah am Leben.

Die Arbeit erzählt von der Entscheidung, durch den Bruch hindurchzugehen. Beyond Love – der Titel der Ausstellung – bekommt dadurch eine neue Bedeutung: Liebe als etwas, das nicht narben- oder bruchfrei verläuft, ein Begriff und eine Konstellation zwischen Menschen, die immer wieder neu definiert werden muss. In diesem Sinn ist der Kuss ein Überfließen – ein Sich-zum-Anderen-Hinwenden, ein Akt des Vertrauens, eine Bewegung jenseits des Selbst.